Erfahrungsberichte

Forschungspraktikum in Limerick, Irland

6 Monate
Irland
2021/22
Sozialpsychologie

Durch den Uni Trier Email-Verteiler wurde ich auf eine Online-Veranstaltung aufmerksam gemacht, in der über ERASMUS Auslandspraktika informiert wurde. Motiviert durch die Veranstaltung, habe ich mich recht unkompliziert (und zunächst komplett online) auf der ERASMUS Website für ein Auslandspraktikum angemeldet und vier Wunschländer angegeben, woraufhin ich Mail-Adressen von verschiedenen Universitäten in den gewählten Wunschländern erhielt. Da ich ein Forschungspraktikum im Sinn hatte, schaute ich mir die entsprechenden Websites der Universitäten an und wählte die für mich interessantesten Forschungsthemen aus.

Ich habe mich für ein spannendes Themengebiet in der Sozialpsychologie entschieden, zu dem meine spätere Betreuerin aktuell an der Universität Limerick (UL) forscht und habe ihr einfach eine Mail geschrieben mit der Frage, ob sie ab Oktober eine Forschungspraktikantin/-assistentin gebrauchen könne und welche Unterlagen sie in diesem Fall gern von mir hätte. Also verfasste ich ein Motivationsschreiben, sowie einen Lebenslauf und suchte mir an der Universität Trier eine Dozentin, mit der ich möglichst viele Seminare zusammen hatte, um mir von ihr ein Empfehlungsschreiben ausstellen zu lassen. Abschließend wurde ich von meiner späteren Betreuerin zu einem Kennenlerngespräch eingeladen, in dem wir klar unsere Erwartungen und Ziele ausgetauscht haben und grob die Rahmenbedingungen abgeklärt (Arbeitszeit, Dauer, Start, Unterkunft etc.), bevor sie mir dann eine Zusage gab!

Ich habe sie Ende Februar angeschrieben und würde immer empfehlen, genügend Zeit zwischen der Suche und dem tatsächlichen Start des Praktikums einzuplanen und eventuell abweichende Semestertermine/-ferien zu bedenken. Für ein möglichst umfangreiches Praktikum mit vielen Einblicken, habe ich mich außerdem dazu entschieden, das komplette 7te Semester (also 6 Monate vom 1.10.2021 – 31.03.2022) in Irland zu verbringen. Um es kurz vorwegzunehmen, das war die beste Entscheidung überhaupt.

Vorbereitung und Anreise

Im Vorfeld habe ich auf Seiten wie property.ie, rent.ie oder mein Favorit daft.ie nach Wohnungen oder Zimmern gesucht. Da ich mit meinem Freund zusammen nach Irland aufgebrochen bin, hat sich eine Studierendenunterkunft (s. accommodation.ul.ie) in diesem Fall nicht angeboten. Zudem besteht in ganz Irland ein anhaltender Wohnungs- und Zimmermangel, der auch deutlich in Gesprächen mit den Masterstudierenden an der UL zu spüren war. Wie immer heißt es auch hier, früh anfangen mit der Suche, genügend Geld einplanen und nach zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten umhören, wie zum Beispiel das AuslandsBAföG, da die monatliche Zahlung des ERASMUS Programms (wie bei mir) vermutlich lediglich die Monatsmiete abdeckt.

Da wir auf Anhieb nichts finden konnten, haben wir für die ersten 14 Tage eine Unterkunft auf Airbnb gebucht und uns dann vor Ort zusätzlich in den Lokalzeitungen nach Wohnungen umgeschaut. Letztendlich sind wir in einem wunderschönen Cottage-Dorf in Puckaun gelandet (gefunden auf daft.ie), das jedoch mit dem Auto 40 Minuten von der Uni entfernt gelegen war. Zwar kommt man rund um Limerick günstig und schnell mit dem Bus voran, trotzdem ist es natürlich schöner in der Nähe des Campus‘ zu wohnen und spontane Pub-Besuche mit Freund*innen mitzunehmen. Mit dem Auto sind wir im Übrigen auch nach Irland gereist und haben uns neben ein paar schönen Städten auf dem Weg (Brügge, Manchester..) ebenfalls zwei Fährenüberfahrten gegeben. Teuer aber fantastisch ist denke ich das Fazit hier.

Mein Alltag an der Universität Limerick

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, in der ich mich hauptsächlich in relevante Literatur eingelesen habe, an einem Masterseminar teilgenommen und in verschiedenen Forschungslaboren vorgestellt wurde, ging es los mit der Arbeit an Projekten. Darunter waren auch zwei Projekte, in denen ich die Führung übernahm und neben Recherche und Datenanalyse, ebenfalls wöchentliche Treffen mit allen Beteiligten wahrnahm.

Fast nebenbei konnte ich mich in das Statistikprogramm R einarbeiten, Grundlagen in Python lernen (gratis Kurs an der Uni) und wie man Netzwerkmodelle erstellt. Die Motivation dafür kam zum Großteil aus mir. Ich hätte das definitiv nicht in dem Ausmaß lernen müssen und hätte jederzeit auch andere Projekte übernehmen können, die weniger mit dem Programmieren zu tun haben. Ich habe im Alltag eigentlich kein Deutsch gesprochen, außer ab und zu mit meiner Betreuerin (die zufällig auch aus Deutschland kam) und meinem Freund.

Durch das Masterseminar am Anfang habe ich Kontakt zu den Masterstudierenden an der Psychologie aufgenommen und bin bei einem Abend im Pub meinen späteren Freund*innen begegnet, mit denen ich ab da an viel unternommen habe. Die Forschungslabore behandelten außerdem verschiedenste Themen wie Sozialkognition, soziale Identitäten, soziale Dynamiken und vieles mehr. Sie fanden oftmals einmal pro Woche statt und zu jedem Treffen hat die ganze Gruppe (bestehend aus Forschenden und Doktorand*innen oder Postdocs) aktuelle Paper gelesen und sie anschließend im Plenum diskutiert. In einem dieser Labore konnte ich mir durch eine Präsentation, Feedback zur weiteren Bearbeitung eines Projektes holen. Dazu kamen dann noch kleinere Aufgaben, wie z.B. das Anfertigen gemeinsamer Arbeitsdokumente, Kurzfilme schauen und diskutieren für ein Bachelor-Seminar und die Leitung eines Projektstandes während der Science Week, bei dem ich mit Grundschulkindern ein Experiment zur Unzuverlässigkeit von Augenzeugenberichten durchführte. Ich konnte mir meine Zeit, bis auf die festen Meetings, eigentlich frei einteilen und habe mich dann jeden Freitag online mit meiner Betreuerin getroffen, um kurz die Woche zu reflektieren.

Apropos online.. bedingt durch Covid-19 war es mir in der ersten Zeit (Oktober bis Januar) kaum möglich an der Uni zu arbeiten, was aber durch die vielen Campingausflüge und Städtetrips nicht allzu sehr ins Gewicht fiel. Ab Februar schlich sich ein angenehmes „Normalitätsgefühl“ beim Kaffeetrinken mit Kolleg*innen und gemeinsamen Mittagspausen ein.

Eine Vergütung bekam ich für die Zeit im Praktikum nicht. Allerdings wurde mir eine bezahlte Stelle auf Stundenbasis an der UL angeboten, um die angefangenen Projekte abzuschließen, die ich nach so einer langen Zeit natürlich auch ungern an jemand anderes abgeben wollte.

Fazit

Das war das beste, intensivste und lehrreichste Praktikum, das ich bisher erleben durfte. Alle Kolleg*innen waren uneingeschränkt hilfreich, wertschätzend und kompetent. Ich bin mir sicher, dass die Arbeitsbeziehungen und Freundschaften nicht mit meiner Rückkehr nach Deutschland enden und freue mich unheimlich auf die nächsten Monate und die daraus entstehenden Publikationen.

Ich habe in der Zeit sehr viel über mich und meine Arbeitsweisen gelernt und bin definitiv daran gewachsen. Beispielsweise besteht nun auch kein Zweifel mehr daran, dass ich in der Forschung tätig sein möchte und die nächsten Schritte dazu sind (auch teilweise durch das Praktikum und hervorragende Referenzen) in greifbarer Nähe.

Darüber hinaus ist Irland der Wahnsinn und nicht nur bekannt für die endlosen Wiesen, Kühe, Schafe, Regenbögen und Kleeblätter, sondern außerdem ein Surfer*innenparadies. Es bietet sogar Möglichkeiten für Wildvögel- und Walbeobachtungen! Die einzige Empfehlung zum Schluss: Irland ist im Sommer sicher noch schöner als im Herbst/Winter und trotzdem blicke ich schon jetzt nostalgisch auf die Zeit zurück.