Erfahrungsberichte

Praktikum bei Front Design in Stockholm

6 Monate
Schweden
2022
Innenarchitektur

Ich habe mich dazu entschieden mein praktisches Auslandssemester für sechs Monate in einem kleinen Produkt- und Möbeldesignbüro in Stockholm, Schweden, zu absolvieren. Zu Beginn meiner Bewerbungsphase für das obligatorische Praxissemester in der Fachrichtung Innenarchitektur an der Hochschule Trier, habe ich mir die Frage gestellt, was ich von meiner Zeit in einem fremden, neuen Land mitnehmen möchte und welche Erfahrungen mich auf meinem Weg als zukünftige Innenarchitektin bestärken könnten. Da mich die skandinavische Designwelt, und insbesondere der schwedische Designstil, sehr interessieren und mich der Minimalismus und die handwerklichen Kenntnisse der Skandinavier sehr beeindrucken, startete ich meine Suche nach einem Praktikumsplatz in Kopenhagen, Stockholm und Oslo. Es war mir bei der Suche besonders wichtig ein Büro zu finden, welches sich auf Produkt- und Möbeldesign spezialisiert. In dem Studiengang Innenarchitektur an der Hochschule Trier fokussiert sich ein Teil der Lehre auf das Designen von Möbelstücken. Da mich dieser Bereich immer besonders interessiert hat, nahm ich mir vor, mit diesem Praktikum festzustellen, ob ich mich eventuell in Zukunft auf diesem Gebiet spezialisieren möchte.

Bei der Suche nach Designstudios in Stockholm bin ich dann auf das Designstudio Front Design gestoßen. Mich haben die Webseite und die dort präsentierten Projekte direkt angesprochen und ich habe mich sehr schnell dazu entschieden das Studio anzuschreiben. Nach ein paar Wochen kam dann eine Antwort auf meine Bewerbung und es wurde ein Termin für ein Skype-Gespräch vereinbart. Da das Studio in Stockholm liegt und die Mitarbeiterinnen alle schwedischer Herkunft sind, verlief die Kommunikation zu Beginn ausschließlich auf Englisch. Aus diesem Grund war ich vor dem Gespräch sehr nervös, da ich seit längerer Zeit keine Unterhaltung mehr auf Englisch geführt hatte. Zu meinem Glück stellte sich heraus, dass die Assistentin, mit welcher ich das Gespräch führte, in Deutschland studiert hat und daher auch auf Deutsch mit mir kommunizieren konnte. Somit löste sich die anfängliche Anspannung schnell auf und es entstand ein angenehmes Gesprächsklima zwischen uns. Ich bin mit einem sehr guten Gefühl aus dem Gespräch gegangen und habe dann auch nach ein paar Tagen die Zusage bekommen, dass ich für die Praktikumsstelle angenommen wurde.

Das Studio Front Design liegt im Herzen Stockholms und ist daher sehr gut mit der Tunnelbana (Metro) erreichbar. Da in der Designwelt das Arbeiten an neuen und aktuellen Projekten meistens geheim gehalten werden muss, ist das gesamte Studio mit langen Vorhängen umhüllt. Somit wird der Einblick in die Innenräume von der Straße aus verhindert. Die äußere Erscheinung des Gebäudes ist daher eher unscheinbar. Im Inneren befinden sich die Räume einer wunderschönen alten Druckerei, welche neugestaltet und zu dem heutigen Studio umfunktioniert wurden. Die beiden Mitgründerinnen Anna Lindgren und Sofia Lagerkvist lernten sich schon im Laufe ihres Industriedesign-Studiums an der Universität Stockholm kennen und arbeiten seitdem zusammen an ihren ausgefallenen und experimentierfreudigen Projekten. Das Front Design Team wird durch die dritte Mitarbeiterin vervollständigt, welche die Assistentin der beiden Designerinnen ist. Diese ist ebenfalls für die Praktikant*innenbetreuung zuständig. Das Studio fokussiert sich auf Produktdesign und hat schon mit vielen großen und bekannten Designunternehmen zusammengearbeitet.

Was ich als sehr positiv empfunden habe ist, dass ich nicht die einzige Praktikant*in im Studio war. Im Laufe meiner sechs Monate bei Front Design haben mich verschiedene Menschen begleitet und sich immer wieder abgewechselt. Wir waren immer zwei bis vier Praktikant*innen und hatten dadurch immer jemanden mit dem wir zusammenarbeiten und Zeit verbringen konnten. Die anderen Praktikanten*innen waren alle aus unterschiedlichen Ländern, was eine große Internationalität im Studio förderte. Die Arbeitssprache war daher die meiste Zeit Englisch. Nur bei manchen Aufgaben oder Erklärungen hat die Assistentin teilweise zu Deutsch gewechselt, da es schneller und einfacher war Dinge zu erklären.

Bei dem Prozess der Ideenfindung und des anfänglichen Brainstormings arbeiten Anna und Sofia meistens alleine, da ihren Kunden sehr wichtig ist, dass die Designs und der Ursprung der Ideen von den beiden Designerinnen stammen, welche die Marke und das Studio Front Design verkörpern. Im weiteren Arbeitsprozess, bei welchem es sich um das Weiterentwickeln und Experimentieren, bis zur Finalisierung des Entwurfs handelt, werden die Praktikant*innen mit eingebunden. Zu meinen grundlegen Aufgaben zählten dabei die Umsetzung von handangefertigten Zeichnungen in 3D-Modelle mit dem Zeichenprogramm Rhinoceros, das Experimentieren mit verschiedenen Materialmöglichkeiten, das Bauen von Maßstabsmodellen und Mockups von Möbeln, und viele weitere spezielle Aufgaben, welche sich auf die individuellen Projekte bezogen. Insgesamt habe ich mit vielen neuen Programmen gearbeitet und sehr viel praktische Erfahrung zur Möbelkonstruktion und -entwicklung gesammelt, welche ich im weiteren Verlauf meines Studiums sicherlich anwenden kann.

Ein Projekt, an dem ich den Großteil meines Praktikums gearbeitet habe, trägt den Namen „Design by Nature“. Die in Kooperation mit den Marken Moroso und Kvadrat Febrik entwickelten Möbel und Stoffe sind, wie der Titel schon andeutet, durch die Natur Schwedens inspiriert. Mein Praktikum hat damit begonnen, dass ich mit einer anderen Praktikantin in einen der zahlreichen Nationalparks, welche sich im Umkreis von Stockholm befinden, fahren und Materialien aus der Natur für einen „nature-table“ sammeln musste. Des Weiteren bestanden unsere Aufgaben für dieses Projekt darin, Videos von Schatten von Bäumen und Pflanzen aufzunehmen, welche für eine spätere Projektion in einer Ausstellung in Mailand verwendet wurden. Generell fokussierte sich meine erste Phase des Praktikums auf das Hinarbeiten auf diese besagte Ausstellung, welche sehr wichtig für das Studio und dessen weitere Laufbahn in der Designwelt war. Ich arbeitete viel mit den einzelnen Stoffen und überlegte gemeinsam mit den beiden Designerinnen und der Assistentin wie man diese am besten in der fertigen Ausstellung präsentieren könnte. Allgemein hat die Arbeit an diesem Projekt sehr viel Spaß gemacht und ich habe viele neue Dinge über die Vorbereitung von Ausstellungen und das präsentieren eigener Arbeiten und Objekte gelernt.

Einer der negativen Aspekte am Praktikum bei Front Design war, dass die Praktikant*innen nicht bezahlt wurden. Da die Lebenshaltungskosten in Schweden und Skandinavien allgemein höher als in Deutschland sind und die Kosten für eine Unterkunft in Stockholm ebenfalls sehr hoch sind, kann es sein, dass es sich nicht jede*r leisten kann ohne Gehalt in Stockholm ein Praktikum zu absolvieren. Das Erasmus+ Programm ist eine große Hilfe, da die Preisgruppen an die jeweiligen Länder angepasst sind. Dennoch deckt der Betrag größtenteils nur die Kosten der Unterkunft und ist nicht ausreichend für die allgemeinen Alltagsausgaben. Zur Wohnungssuche in Stockholm ist allgemein noch zu sagen, dass man rechtzeitig damit anfangen sollte nach einem Zimmer/ einer Wohnung zu suchen. Facebook-Gruppen können dabei eine große Hilfe sein und ebenfalls die Webseite „blocket“. Ich persönlich habe zu Beginn in verschiedenen Airbnbs gelebt, was hier in Stockholm anscheinend für längere Zeiträume ganz normal ist. Man lebt meistens mit einer Familie oder dem Vermieter zusammen, was vielleicht nicht für jeden etwas ist, mir aber gut gefallen hat, da man auch Einheimische und die schwedischen Sitten besser kennenlernen kann. Nach zwei Monaten hatte ich das Glück über eine Freundin eine Wohngemeinschaft, 20 Minuten von der Innenstadt entfernt, zu finden. Die WG war sehr international, da alle sechs Mitbewohner unterschiedlicher Herkunft waren und ich hatte großes Glück für die letzten vier Monate meiner Zeit in Stockholm dort wohnen zu können.

Zusammenfassend kann ich nur jedem empfehlen ein Praxissemester im Ausland zu absolvieren. Es ist immer eine Bereicherung für einen selbst eine neue Sprache, eine neue Kultur und neue Menschen kennenzulernen. In meiner Zeit habe ich sehr viele unterschiedliche und wundervolle Charaktere getroffen. Außerdem hat mir dieser sechsmonatige Einblick in die Arbeit eines Designstudios geholfen, meine Zukunft und meine Ziele weiter zu formen und zu definieren. Ich hatte eine sehr schöne Zeit und möchte Schweden und Stockholm auf jeden Fall wiedersehen.